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13.08.13 –
„Das ist ja fast wie beim Papst: Kinder werden ihr entgegengestreckt.“ Spöttisch kommentiert ein Passant die Szene vor dem alten Rathaus in Lindau, als Eltern Claudia Roth bitten, für ein Foto die kleine Sophie in den Arm zu nehmen. Nun ist der Papst nicht der Erste, der einem im Zusammenhang mit der grünen Bundesvorsitzenden einfällt. Aber irgendwie trifft der Satz die Stimmung.
Denn Claudia Roth ist für Lindauer und Gäste am Dienstagnachmittag vor dem Alten Rathaus ein Star. Sie gibt unzählige Autogramme und lässt sich mit Fans fotografieren. Bei aller Anstrengung hat so ein Wahlkampf für Spitzenpolitiker auch etwas Aufbauendes. In Lindau bekam Roth in anderthalb Stunden kein kritisches Wort zu hören, sondern durfte sich fühlen wie ein Popstar.
In Lindau teilen sich die Fans in zwei Gruppen: Die einen bleiben in der zweiten oder dritten Reihe, tuscheln und zücken Kameras oder Handys, um den Politpromi aus der Ferne zu fotografieren. Die anderen gehen auf die 58-Jährige zu, sprechen sie an, bitten um ein Autogramm oder ein gemeinsames Foto. Meist handelt es sich um Touristen, die aus Münster, Köln oder Chemnitz kommen. Mit einem Jungen im Trikot des BVB Dortmund scherzt sie: „Das ist das einzige schwarz-gelb, das mir gefällt.“
Roth macht dabei kaum direkt Werbung für sich und ihre Partei. Sie wirkt indirekt. Denn sie erzählt, dass sie schon als Kind mit ihren Eltern oft am Bodensee war und in Langenargen das Schwimmen gelernt hat. Und sie gibt solchen Gästen Ausflugstipps, die sich in Lindau und Umgebung noch nicht auskennen: Nach Bregenz sollten sie fahren, das habe sich in den vergangenen Jahrzehnten hervorragend entwickelt. Anderen schwärmt sie vom Bregenzer Wald vor. Schweizer Touristen berichtet sie, dass sie demnächst auch einen Termin jenseits des Bodensees wahrnehmen wird, weil jemand sie für einen Auftritt eingeladen hat.
Vorerst aber ist sie mit ihrem VW-Bus auf Deutschlandtour. 35 Wahlkampftermine hat sie in Bayern eingeplant, als Bundesvorsitzende tritt sie in allen Bundesländern auf. Wie viele Termine es insgesamt sind? Da muss Roth ausnahmsweise passen, und auch in ihrem Wahlkampfteam weiß es niemand. Aber mehr als hundert seien es bestimmt, meint jemand. Dass sie mit dem Auto auf Tour geht, entschuldigt sie im Gespräch mit den Bürgern mit Verweis auf die Vielzahl von Terminen: „Mit dem Zug wäre das undenkbar.“
Bei den Gästen vor dem Alten Rathaus kommt Roth mit ihrer unkomplizierten Art an. Sie sei größer als sie sonst wirke, meint jemand. „Die sieht viel besser aus als im Fernsehen“, sagt eine ältere Frau zu ihrem Mann. Eine andere lobt, Roth sehe jünger aus als die 58 Jahre, die sie tatsächlich alt ist. In den kurzen Gesprächen wollen die Menschen wissen, was Roth von der Autobahnmaut hält, wie die Energiewende ein Erfolg werden kann, ob der Ausstieg aus der Atomkraft sicher ist. Lob bekommt sie für die Idee der Grünen, in öffentlichen Kantinen einen Veggie-Tag einzuführen, an dem es kein Fleisch gibt. Dass eine Zeitung ein zehn Jahre altes Foto von ihr beim Dönerschneiden hervorgekramt hat, entlockt ihr nur ein Schulterzucken: „Ich bin nicht Vegetarierin“, aber es müsse nicht jeden Tag Fleisch auf den Teller, das habe es in ihrer Kindheit daheim auch nicht gegeben.
Ein Zurück zur Atomkraft werde es mit den Grünen auf keinen Fall geben, versichert sie. Um das in welcher Koalition auch immer sicherzustellen bräuchten die Grünen aber mehr als sechs Prozent, sagt sie – schaut auf die Uhr und ruft der Landesvorsitzenden Theresa Schopper zu: „Wir müssen dann fahren …“
Quelle: Schwäbische Zeitung, D. Augustin, Aktualisiert: 13.08.2013 23:15
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