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21.02.14 –
Immer mehr Ärztinnen und Ärzte ziehen sich in Bayern aus der Substitutionsversorgung schwer suchterkrankter Menschen zurück – und das mit gutem Grund: Durch eine veraltete Rechtslage im Betäubungsmittelgesetz werden Substitutionsärzte kriminalisiert, und es entstehen Konflikte mit modernen Behandlungskonzepten.
Das im Gesetz vorgegebene Ziel der vollständigen Substanzfreiheit kann derzeit nur bei ca. vier Prozent der Patientinnen und Patienten umgesetzt werden und verhindert stabilisierende Therapien für den Großteil der chronisch Suchtkranken. Durch diese Entwicklung entstehen erhebliche Versorgungslücken, die die Versorgung und Resozialisierung schwer suchtkranker Menschen behindern.
Die Substitutionsbehandlung holt Patientinnen und Patienten aus dem Teufelskreis der Beschaffungskriminalität und integriert schrittweise wieder in das soziale Leben – und sie verhindert Todesfälle.
Leider wird der medizinische Entscheidungsspielraum, welche Therapie welchen Suchterkrankten am meisten nützt, empfindlich eingeschränkt. Besonders strittig sind hier die Regelungen zum „Beikonsum” anderer Substanzen.
Bei einem Verstoß muss die Therapie sofort abgebrochen werden.
Diese Forderung steht im direkten Widerspruch zu den Substitutionsleitlinien der Bundesärztekammer, die ein Halten in der Substitution vorsieht.
Wer also den medizinischen Leitlinien folgt, gerät mit dem Gesetz in Konflikt und steht buchstäblich mit einem Bein im Gefängnis.
In Bayern ist die Zahl der laufenden Strafverfahren im bundesdeutschen Vergleich besonders hoch. Nur noch wenige Ärztinnen und Ärzte sind bereit, unter diesen Bedingungen Substitution anzubieten.
Impuls Ulli Leiner
„Wir haben zu diesem Fachgespräch unter der Überschrift der Rechtsunsicherheiten für die Ärztinnen und Ärzte eingeladen, die bereit sind, sich um die Substitutionstherapie für schwer chronisch suchterkrankte Menschen zu kümmern. Die Qualität einer Gesellschaft lässt sich daran messen, wie sie mit ihren schwächsten umgeht. Für uns Grüne steht Prävention im Mittelpunkt der Drogenpolitik. Von der Kriminalisierung der Süchtigen halten wir nichts. Bei der Substitution haben wir es mit einer Sondersituation zu tun: In der derzeitigen Rechtslage werden nicht nur die Suchterkrankten kriminalisiert sondern auch die Ärztinnen und Ärzte, die sich um sie kümmern. Das wollen wir ändern. Wir brauchen in Bayern gleiche und rechtssichere Bedingungen für die Substitutionstherapie.“
Dr. med. Heidemarie Lux, Vizepräsidentin der bayerischen Landesärztekammer,
führte vor dem Hintergrund des Falls einer niederbayerischen Ärztin, die bei fachlich sauberer Substitution strafrechtlich verfolgt und der die Approbation entzogen worden war aus, dass die rechtlichen Rahmenbedingungen im Bereich der Substitution sehr eng gefasst seien. Die Betäubungsmittelverschreibungsverordnung sei das einzige Gesetz, das sich in die Therapiefreiheit der Ärztinnen und Ärzten eingreife. Hier müsse auf Bundesebene Abhilfe geschaffen werden. Die Anzahl der substituierten Patienten nehme zu, die Zahl der substituierenden Ärzte nehme hingegen ab. In Bayern habe sich nun im Gesundheitsministerium ein runder Tisch gebildet, der immerhin versuche, einheitliche Prüfkriterien für alle Regionen Bayern festzulegen und umzusetzen um Rechtssicherheit herzustellen. Der „Dealer in weiß“ sei ein Vorwurf, den man so nicht stehen lassen könne.
Christiane Fahrmbacher-Lutz, Vorstand der Bayerischen Akademie für Suchtfragen (BAS) e.V und Apothekerin
Betonte: „Menschen die krank sind sollen behandelt werden, gleichzeitig soll der Verkehr mit Betäubungsmitteln so weit wie möglich begrenzt werden.“ Auch Apotheken könnten Orte sein, in denen suchtabhängige Menschen behandelt werden könnten. Im Flächenland Bayern gebe wesentliche weiße Flecken, an denen die Substitutionsversorgung nicht mehr sicher gestellt sei. Einfache Fahrtstrecken von 80 km seien keine Seltenheit. Am Anfang der Behandlung müsse der Patient täglich den Arzt aufsuchen, bis das hochwirksame und in einer Fehldosierung auch tödliche Medikament richtig eingestellt sei. Auch danach müsse die Einnahme unter Sichtkontrolle erfolgen. Hier könnten in den ländlichen Regionen die Patienten in den Apotheken einnehmen. Allerdings würden die Apotheker dafür nicht entlohnt. Die Ärzte- und Apothekerkammern sollten zusammen ein Zertifikat auflegen und hier für eine entsprechende Lastenverteilung sorgen. In Baden-Württemberg sei das bereits gelungen.
Dr. Stephan Walcher, Deutsche Gesellschaft für Suchtmedizin e.V.
Betonte, er wolle über allgemeine Rahmenbedingungen der Substitution sprechen. Aktuell gebe es eine Zunahme von Drogentoten. Die Europäischen Zahlen zeigten deutlich, dass die Wahrscheinlichkeit unter Substitution zu sterben je nach Lesart um 25-75% sinke. Die abnehmende Dichte der Substitutionsärzte führe direkt zu einem Ansteigen der Todesfälle. Anreisen von über 100 km zur nächsten Substitutionsstelle seien keine Seltenheit mehr. Hinzu komme, dass der Altersdurchschnitt der aktuell tätigen Substitutionsärzte bei über 55 Jahren liege. Wenn die aus dem Substitutionsdienst ausschieden, würden wir in ca. 7 Jahren Substitution nur noch in den Ballungsräumen vorfinden. Statistisch werde jeder Substitutionsarzt einmal im Rahmen seiner Substitutionstätigkeit verurteilt. Hier unterscheide sich das Agieren der Behörden regional erheblich. Dabei würden auch Ärzte verurteilt, die die Leitlinien der Fachgesellschaften tadellos umsetzten. Besonders strittig sei hier die juristische Auffassung zum Beikonsum, die zur Verurteilung der niederbayerischen Kollegin geführt habe. Einiges sei nun schon im Rahmen des Runden Tisches zur Sicherung der Substitutionsversorgung in Bayern beim Gesundheitsministerium behandelt. Anderes ist schwieriger zu regeln. Das ganz dicke Brett der Veränderung des Betäubungsmittelgesetzes auf Bundesebene. Die Süchtigen zögen im aktuellen Versorgungsengpass in die Ballungsräume. Dass hier die Zahlen der Drogentoten steigt liege daran. Unter wissenschaftlichen Standards agiere die Substitution auf sehr hohem Evidenzniveau. Die Wirksamkeit sei nachgewiesen wie selten im Arzneimittelbereich. Warum müsse dennoch dieser Kleinkrieg mit den bayerischen Behörden stattfinden?
Peter Pluschke, Referent für Umwelt und Gesundheit der Stadt Nürnberg
In Nürnberg liege die Todesfallrate mit am höchsten. Das hänge mit der zunehmend zentralen Versorgung Nordbayerns in Nürnberg zusammen. Der Öffentliche Gesundheitsdienst sei beständig damit befasst, diese Zahl zu senken und denke auch über Drogenkonsumräume nach. Allerdings tue sich hier noch nicht besonders viel.
„Wir bemühen uns im Rahmen eines runden Tisches Verfahrensweisen zwischen Gesundheitsamt, Beratungsstellen und der Polizei festzulegen, die von Augenmaß geprägt sind und in eine dialogischen Verfahren nach Lösungen für Mängel oder Verstöße zu suchen. Im Bezirk Mittelfranken wird auch auf staatlicher Seite diese Sichtweise geteilt.“ Es gebe einen Erlass, der die Gesundheitsämter in der Ausführung ihrer Aufsicht binde. Darin sei festgehalten, dass die Kontrolle des Beikonsums nicht den substituierenden Ärzten obliege. Wie praktikabel das sei werde sich in der Zukunft zeigen.
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