Bedarfsgerechte Mobilität im Alter in lebenswerten Städten und Gemeinden

30.01.22 –

Gerade im Alter wird die Nutzung eines eigenen PKW noch fragwürdiger. Gleichzeitig sinken die körperlichen Kräfte und die Belastbarkeit sowie Gleichgewicht und Koordination. Dazu kommen schleichend schlechteres Hör- und Sehvermögen. Alte Menschen sind durch den Wegfall der Arbeit häufig sozial nicht mehr gut eingebunden, haben weniger finanzielle Mittel und drohen zu vereinsamen.

In mediterranen Regionen kann man häufig sehen, wie man im Zentrum zusammenkommt, sei es auf Bänken zusammensitzend, sich ausruhend und austauschend, sei es in Cafés, Kneipen, beim Friseur oder beim Einkauf auf dem Markt.

In Deutschland ist eine andere Entwicklung zu beobachten: Supermärkte sind zumeist am Ortsrand entstanden zusammen mit großen Parkplätzen. Sparkassen und Banken verschwinden unter Verweis auf das zunehmende elektronische Banking. Poststellen werden geschlossen und Schulen zentralisiert. Das macht Gemeinden und Kleinstädte unattraktiv, so dass sich z.B. Ärzte ungern dort ansiedeln oder weniger bereit sind etablierte Praxen weiterzuführen. Gewerbebetriebe finden in Orten mit schwindender Infrastruktur schlechter Mitarbeiter. Insgesamt resultieren zunehmender Pendlerverkehr, Abwanderung und Stadtflucht bei gleichzeitig schleichender Vergreisung von Orten in ländlichen Bereichen. Attraktive Ortszentren verlieren ihren Anreiz dort zu verweilen; man fährt nur noch hindurch. Stattdessen müssen große Städte aufrüsten, die Infrastruktur ausbauen und neue Wohnungen bauen. Der Siedlungsdruck nimmt zu und Natur ist auf dem Rückzug. Damit ergibt sich ein Teufelskreis, in dem der ländliche Raum abgebaut wird und größere Städte überlastet werden.

Zu wünschen ist stattdessen eine Gegenentwicklung mit dem Erhalt oder dem Wiederaufbau von attraktiven Begegnungszentren („common space“) mit einem Vorrang für den fußläufigen Verkehr, öffentlichen Toiletten, Bänken zum Ausruhen und zum Austausch und den notwendigen Einrichtungen wie Geschäften, Bankfilialen, Poststellen und Gasthäusern, also Städte der kurzen Wege (siehe auch christa-moeller-metzger.de/2020/06/18/was-bedeutet-eigentlich-age-friendly-city/). Nur so werden die Zentren wieder belebt und sind derart auch dazu in der Lage alte Menschen einzubinden. In einer solchen Situation verweilen die Menschen dort auch lieber, kaufen im Zentrum ein und machen so die Wiederansiedelung von Geschäften und Betrieben interessant. Dazu gehört unbedingt ein zuverlässiger öffentlicher Nahverkehr mit unterschiedlichen, jeweils passenden Verkehrsmitteln. Zunächst braucht es als zentralen Träger die Schiene für die Anbindung an Kreisstädte und auch an den Fernverkehr. Dann sind Busse mit mindestens einstündlicher Taktung von morgens bis Mitternacht unabdingbar. Besonders in kleinen Gemeinden sind Bedarfsverkehre wie Bürgertaxis (z.B. www.raubling.de/leben/angebote-senioren/item/19-buergertaxi-raubling.html) ein gutes Mittel auch gehbehinderte Menschen einzubinden. Grundsätzlich ist dabei auf Barrierefreiheit zu achten. Zwar sind elektronische Buchungsmöglichkeiten bei kleinen Bedarfsverkehren praktisch, jedoch gerade für ältere Menschen häufig schlecht bedienbar, so dass das Telefon weiter eine Buchung ermöglichen sollte. Verkehrsverbünde sollten die Nutzung der öffentlichen Angebote mit nur einem Abo vereinfachen. In Gemeinden und Städten sollten Etats für den Fußverkehr im Haushalt fest mit eingeplant werden. Danach kommt natürlich der Fahrradverkehr, der aber bereits mehr Lobby hat als der ohne jegliches Hilfsmittel, eben nur mit den Füßen und ggf. Rollator oder Rollstuhl.

Neue Straßenverkehrsprojekte sollten auch besonders den daraus sich ergebenden Erhaltungsaufwand für die folgenden Generationen mit ins Auge fassen. Schon jetzt gehen ca. 50% der Aufwendungen des Staates für Straßen und Verkehr in diesen Bereich, und es müsste angesichts maroder Brücken und Straßen eigentlich noch mehr sein.

Volkswirtschaftlich gibt es bei einer Rückkehr zu den wohnortnahen Möglichkeiten zur Befriedigung von Grundbedürfnissen viele positive Aspekte wie Förderung des sozialen Miteinander mit geringerer weitläufiger Mobilität, Besserung der sozialen Einbindung und Minderung von Einsamkeit, Vermehrung von Beschäftigungsmöglichkeiten vor Ort, Minderung von Pendlerverkehren und Verminderung des Zuzugs in Städte. Damit weniger Neubauten (mit entsprechenden Umweltbelastungen und Versiegelung von Böden) und weniger Verkehr. Die positiven Effekte lassen sich finanziell für die Volkswirtschaft nicht so leicht in Euro und Cent abbilden und erfassen Bereiche, die zumeist auch nicht in Kalkulationen einbezogen werden, wie geringere Klimabelastung durch Abbau von Verkehr oder zumindest Verhinderung von einer weiteren Zunahme, geringere Morbidität durch mehr fußläufige Aktivität etc. Das steht den Kosten entgegen, die durch Maßnahmen für einen besseren ÖPNV und eine attraktivere Innenstadt bzw. Gemeindezentren entstehen. In Bodenseenähe bildet das eine Synergie mit den Bestrebungen im Rahmen der Tourismusförderung, im Hinterland sieht das anders aus und sollte gerade dort besonders mitbedacht werden. Bei kommunalen Konzepten zur zukünftigen Rolle des Tourismus müssen die genannten Aspekte für ortsansässige alte Menschen unbedingt mit einbezogen werden.

Für Interessierte ist die Grüne Landesarbeitsgemeinschaft Silbergrüne (Kontakt: lag-silbergruene@gruene-bayern.de) zu empfehlen!

 

Harald Tegtmeyer-Metzdorf

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