Kinder in Jugendhilfeeinrichtungen ernst nehmen!

01.09.14 –

Pressemitteilung unserer Kreisrätin Christiane Thiesen

Forderung nach einer unabhängigen Beschwerdestelle

Wie der Artikel „Heimleiter soll Kind geschlagen haben“ vom 28.08.2014 in der Schwäbischen Zeitung aufzeigt, gibt es offensichtlich noch immer Vorfälle im Rahmen der Jugendhilfe in denen Kinder und Jugendliche psychischer oder auch physischer Gewalt durch Erwachsene (sogar PädagogInnen) ausgesetzt sind.
Es ist davon auszugehen, dass die Sachlage nicht klar und eindeutig ist, denn die Überschrift ist in der Möglichkeitsform geschrieben.

Doch sollten die Recherchen von Gaby Kolle (Dortmunder Redaktion der Ruhr Nachrichten) stimmen, hat der damals Zwölfjährige großen Mut bewiesen, als er dies im Hilfeplangespräch benannte und somit denjenigen beschuldigte, in dessen Obhut er sich befand.
Doch leider wurde ihm laut Presse nicht geglaubt: weder von Seiten des belegenden Jugendhilfeträgers noch des zuständigen Jugendamtes (Kostenträger am Wohnort der Eltern) wurde er ernst genommen. Was hatte dies für eine Konsequenz für das Kind?
Weiterhin in der Einrichtung bleiben und die (möglichen) Konsequenzen aushalten? Sollten die Vorwürfe stimmen, konnte er damit rechnen, dass er nun einiges mehr zu ertragen haben würde.

Zusätzlich erreicht kurz darauf ein handschriftliches Fax die zuständige Jugendhilfeeinrichtung, in dem der Junge alle Vorwürfe wieder zurück nimmt. Dies lässt aufhorchen. In der Presse wird jedoch kein Bezug darauf genommen, wie mit dem Fax umgangen wurde. Es ist kaum anzunehmen, dass dies unbeachtet blieb, sondern klärende Gespräche stattfanden.

Der Junge hätte eine unabhängige Beschwerde- oder Schiedsstelle (Ombudsstelle) einschalten können. Mutig wie er war, ist davon auszugehen, dass er dies getan hätte. Durch Anruf einer „Ombudsstelle Jugendhilfe“ wäre er durch eine unabhängige Ebene angehört und ernst genommen worden.

Doch wo gibt es im Freistaat Bayern eine solche Beschwerdestelle?

Haben die medienwirksamen Beschwerden und Briefe der drangsalierten Jugendlichen und MitarbeiterInnen aus dem letzten Jahr gegen die Jugendhilfeeinrichtung „Haasenburg“ (Brandenburg) nichts hinterlassen?
Der öffentliche Druck war immens, ein Untersuchungsauschuss wurde eingesetzt, die Staatsanwaltschaft ermittelte, die Einrichtung wurde geschlossen. Ein Erfolg, keine Frage. Kinder und Jugendliche haben heute jedoch scheinbar noch immer keine neutrale Anlaufstelle im Sinne einer Ombudsstelle.

In fast allen Bundesländern können Kinder und Jugendliche, die in Heimen oder Jugendhilfeeinrichtungen untergebracht sind, eine unabhängige Beschwerdestelle anrufen. Betroffene können sich vertraulich an die beratenden Fachkräfte wenden und gemeinsam nach Lösungen suchen. Gespräche werden begleitet, Konfliktlösung ist das oberste Ziel.
Insbesondere nach den aufgedeckten Mißbrauchsskandalen sollten wir als Gesellschaft hellhörig und sensibel für die Erzählungen, Berichte und Geschichten unserer Kinder und Jugendlichen geworden sein. Auch und sogar insbesondere dann, wenn es um Kinder und Jugendliche geht, die eines besonderen Schutzes bedürfen und die das in sie gesetzte Vertrauen schon so manches Mal verspielt haben. Also Minderjährige die in „intensivpädagogischen Maßnahmen“ (also öffentlicher Erziehung) untergebracht sind. Hier handelt es sich häufig um Kinder, die bereits durch Gewalterfahrungen traumatisiert sind.

Getragen werden die Ombudsstellen von den Spitzenverbänden wie der Caritas, der AWO, dem Paritätischer Wohlfahrtsverband, der Diakonie, dem Roten Kreuz und den jüdischen Gemeinden.
Warum gibt es in Bayern keine Ombudsstellen bei Jugendhilfe (SGB VIII)??

Es wäre ein erster Schritt eine kommunale Ombudsstelle für Hilfeempfänger einzurichten. Laut Gutachten von Reinhard Wiesner (2012, S. 24): „… erscheint es sinnvoll, Beratungs- und Beschwerdestellen auf der örtlichen Ebene – parallel zum Einzugsbereich der Jugendämter – einzurichten. … Favorisiert wird deshalb das Modell einer Ombudsstelle, die beim Jugendhilfeausschuss angesiedelt ist.“

Der Leiter des Jugendamtes Lindau, Patrick Zobel, spricht von ca. 100 Heimplätzen im Landkreis die fast ausschließlich überregional belegt werden. Dadurch, dass der Landkreis in diesen Fällen nicht der Kostenträger ist, sitzt das Lindauer Jugendamt nicht in den Hilfeplangesprächen dieser hier untergebrachten Kinder und Jugendlichen. So kennt es diese Kinder i.d.R. überhaupt nicht. Wie kann dann die pädagogische Qualität einer Einrichtung vor Ort eingeschätzt werden? Die Lösung kann nicht sein, dass überregionale Unterbringungen nicht mehr möglich sind. Es gibt Kinder, die aus pädagogisch-therapeutischen Gründen NICHT am Heimatort untergebracht werden können. Ganz zu Schweigen davon, dass es nicht immer alle Hilfeangebote vor Ort gibt.

Die Einrichtung einer kommunalen „Ombudsstelle Jugendhilfe“ wird und kann nicht die o.g. spezifischen Probleme komplett lösen, aber sie könnte ein wirksames Instrument sein, das Kinder und Jugendliche, Eltern und Engagierte in ihren Anliegen ernst nimmt und die Kommunikation zwischen dem örtlichen Jugendamt und den HilfeempfängerInnen jeden Alters unterstützt.

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